Der Architekt als junger Mann

Der Architekt als junger Mann

Wilhelm Wichtendahl war gerade mal 25 Jahre alt, als er das Telegraphen- und Fernsprechbezirksgebäude Augsburg entwarf. 

Bevor sich Bahn und Post 1920 trennten, gab es in Bayern so gut wie keine Postgebäude außerhalb von Bahnhofsgeländen. Doch das boomende Fern­sprechwesen benötigte dringend Platz. Die frischgeschaffene Postbauabteilung unter dem Münchner Hochbaureferenten Robert Vorhoelzer verzichtete bewusst auf die Anstellung altgedienter Beamter und fand ihre Mitarbeiter lieber unter den Absolventen der Technischen Hochschule. Die hochmotivierten Nachwuchsarchitekten blieben nicht unbeeinflusst von der avantgardistischen Architektur der 20er Jahre. Bis die Nazis 1933 dem »Neuen Bauen« ein jähes Ende bereiteten, genossen die Postarchitekten bisher ungekannte gestalterische Freiheit, auch weil man als Reichsbehörde nicht an den Freistaat gebunden war. Als erstes Beispiel der »Postbauschule« in Augsburg entstand 1924 das Telegraphenamt beim Plärrer, unweit der Stadtjägerstraße. Wilhelm Wichtendahl, der 1902 in La Paz/Kolumbien geborene Architekt des 1930 fertiggestellten Bürogebäudes in der Stadtjägerstraße 10, war gerade mal 25 Jahre alt, als er mit der Planung begann. Auffällig sind vor allem die übereck laufenden Fensterbänder sowie die beiden symmetrischen Obergeschosse mit den geneigten Dächern. Wie die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Architekturmuseums Schwaben, Barbara Wolf, vermutet, stand Wichtendahl dabei »noch ganz unter dem Eindruck der im Jahr seines Amtsantritts fertig gestellten Weißenhofsiedlung in Stuttgart, dem Gemeinschaftswerk der Architekten-Avantgarde«. Besonders die Bauten Mies van der Rohes haben demzufolge großen Eindruck auf den jungen Architekten gemacht.